Ukraine-Flüchtlinge: Die Herausforderung für den Kreis ist groß

Ukraine-Flüchtlinge: Die Herausforderung für den Kreis ist groß

Auf allen Ebenen wird unter Hochdruck gearbeitet – Landrat Achim Hallerbach: „Müssen realistisch sein, dass viele nicht in ein zerbombtes Land zurückgehen werden“

Kreis Neuwied. Der grausame russische Angriffskrieg gegen die Ukraine treibt immer mehr Menschen in die Flucht. Das stellt auch den Kreis Neuwied vor große Herausforderungen. Bislang sind schon rund 1100 Flüchtlinge im Kreis Neuwied angekommen. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2016 hatte die Ausländerbehörde 1030 Asylbewerber gezählt, 2020 „nur“ 198.
Rechnet man aktuell hinzu, dass dem Kreis Neuwied im ersten Quartal auch noch Flüchtlinge aus anderen Ländern zugewiesen worden sind, so lässt sich leicht prognostizieren, dass auch die bisherige Höchstzahl von 1680 Flüchtlingen aus dem Jahr 2015 übertroffen werden dürfte. „Genau kann das aber nach wie vor niemand vorhersagen. Viel zu viel hängt vom weiteren Verlauf des Krieges ab“, weiß Landrat Achim Hallerbach. So oder so ist ihm klar: „Die Aufgabe ist groß und wird es bleiben.“ Denn dem Landrat ist durchaus bewusst, dass zumindest ein Teil der Ukrainer auch nicht mehr zurückgehen wird. „Das habe ich in meinen Gesprächen mit Helfern, zum Beispiel aus den Mennonitischen Gemeinden, öfter gehört. Die fragen mich auch, wo die Menschen denn hinwollen sollen, wenn in ihrer Heimat alles zerbombt ist. Da müssen wir realistisch sein“, macht er deutlich.

Innerhalb der kommunalen Familie des Kreises Neuwied laufen die Bemühungen auf Hochtouren, der Herausforderung gerecht zu werden. Sowohl auf Ebene der Behördenleiter als auch zwischen den verschiedenen Fachabteilungen und mit Helfern jagt derzeit eine Videokonferenz die nächste. „Vernetzen, koordinieren, gemeinsam helfen“ – lauten dabei die Schlagworte. Erfreut kann Achim Hallerbach dabei feststellen, dass die Zusammenarbeit funktioniert.

Die Menschen, die visumfrei einreisen durften und zum ganz überwiegenden Teil von Verwandten, Bekannten oder freiwilligen Helfern geholt wurden, müssen erfasst und registriert werden. Um eine gerechte Verteilung zu garantieren, ist ein noch genauerer Überblick nötig. Das gilt nicht nur innerhalb des Kreises, sondern auch im Land. „Nach bisherigen Erkenntnissen sieht es so aus, als ob der Kreis Neuwied mit seinem vergleichsweise hohen Anteil an Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion schon überproportional viele Ukrainer aufgenommen hat“, sagt Landrat Achim Hallerbach, der weiß, dass sich das - wenn belegt - auch dahingehend auswirken sollte, dass das Land weniger Menschen aus seinen Erstaufnahmelagern zuweist. „Trotzdem müssen wir immer damit rechnen“, macht Hallerbach deutlich und berichtet, dass am Donnerstag plötzlich ein Bus mit 20 Ukrainern vor dem Kreishaus stand. Einige davon waren kurzfristig avisiert worden, andere völlig unangekündigt.
„Das war in dieser Form hoffentlich ein Versehen des Landes“, sagt Hallerbach, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass Mainz angekündigt hat, dass die „Vorwarnzeit“ generell nur noch drei Tage beträgt. „Wir müssen uns also immer darauf einstellen, dass wir am Freitagnachmittag eine Mail bekommen, in der uns für Montag ein Kontingent Flüchtlinge zugewiesen wird, das wir dann unterzubringen haben“, macht Stefan Henzel als zuständiger Referatsleiter „Asyl“ bei der Kreisverwaltung deutlich, was das praktisch bedeutet.

Die vordringlichste Aufgabe ist und bleibt, Unterkünfte zu finden. Nachdem Landrat Achim Hallerbach die (Ober-)Bürgermeister der Stadt Neuwied und der sieben Verbandsgemeinden des Kreises vor rund einer Woche eindringlich gebeten hatte, jeweils mindestens 100 weitere Wohneinheiten zur Verfügung zu stellen, sind an vielen Stellen bereits Resultate sichtbar. Nur ein Beispiel: In der Turnhalle von Niederbieber sind bereits die ersten Flüchtlinge aufgenommen worden.
Parallel dazu wird daran gearbeitet, auch ehemalige Hotels und Gaststätten herzurichten, um den Menschen eine längerfristige Unterkunftsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig werden Containerstandorte vorbereitet. Ein großes zentrales Camp soll es dabei aber nicht geben, sondern mehrere dezentrale Standorte.
Bei all dem gibt es viel zu beachten. Container, aber auch selbst Feld-/Stahlrohrbetten sowie Zubehör sind auf dem Markt hoch begehrt und entsprechend schwierig zu bekommen. Lange Lieferzeiten müssen einkalkuliert werden.

Es geht aber nicht nur um die reine Unterbringung. Die Menschen müssen betreut werden, brauchen Krankenhilfe. Tuberkulose ist genauso ein Thema wie Corona und Masernimpfungen. Viele Flüchtlinge haben ein Haustier dabei, das versorgt werden muss. Auf der Homepage des Kreises sind zu all dem viele Informationen jetzt auch in ukrainischer Sprache abrufbar.
Insgesamt dankt Landrat Achim Hallerbach den vielen freiwilligen Helfern auf den verschiedenen Ebene. „Wie die Leute sich engagieren ist wirklich bewundernswert. Ohne sie würden wir es nicht schaffen“, macht er deutlich.